10 Jahre „IGR-bewährte Geräte“
Elektro-, Mess- und Regeltechnik (EMR-Technik) steht in der chemischen und pharmazeutischen Industrie im Spannungsfeld zwischen Sicherheit und Verfügbarkeit der Anlagen. Der Fokus auf die Verfügbarkeit kann ohne Zusatzmaßnahmen zu Lasten der Sicherheit gehen und umgekehrt. Auch zeigt sich, dass Hersteller und Zertifizierer nicht immer Möglichkeiten für Optimierungen nutzen. Für Mitglieder hat die IGR betriebsbewährte Geräte in einem internen Downloadbereich aufgelistet. Gezeigt wird nicht nur, wie sich Sicherheit und Verfügbarkeit verbinden lassen, sondern auch, wo Einsparungen möglich sind.
Immer häufiger werden Geräte nach SIL (gem. IEC 61508) entwickelt. Das ersetzt jedoch keine Betriebsbewährung. Denn die Hersteller kennen die späteren Einsatzbedingungen in der Prozessindustrie nicht. Das IGR-Projekt zu betriebsbewährten Geräten basiert auf der nationalen und internationalen Normung wie der IEC 61511, VDI/VDE 2180 und NE130. Die IGR Guideline 49-0215 „Betriebsbewährung von Geräten für PLT-Schutzeinrichtungen“ definiert und konkretisiert dabei den Ablauf und die Anforderungen der Betriebsbewährung. Anlagenbetreiber und deren Dienstleister profitieren von einem schrittweisen Vorgehen:
1. Typprüfung (nach NAMUR NE95) mit IGR-Beurteilung
Die Typprüfung dient als erste Qualitätskontrolle beim Hersteller. Viele Prüfungen beruhen auf Anwendererfahrungen. Und Gerätestörungen können heute oftmals mit Tools in den Prozessleitsystemen beim Anwender aufgezeichnet und später analysiert werden. Die Erkenntnisse daraus finden wiederum Eingang in die Typprüfung. Die IGR-Fachreferenten sind auf Messprinzipien wie z. B. Druck oder Füllstände spezialisiert und schätzen die Einsatztauglichkeit verschiedener Geräte auf Basis von Prüfergebnissen verlässlich ein. Dabei stehen das Prüflabor, der Fachreferent und die Betreiber in engem Kontakt.
2. Betriebserprobung unter Praxisbedingungen
Als weiterer Schritt hat sich bewährt, den Betrieb in der Praxis zu erproben. Dabei werden Geräte in verschiedenen Applikationen im tatsächlichen Anlagenbetrieb beobachtet. Das dient dazu systematische Fehler im Betrieb aufzudecken und einen reibungslosen Betriebsablauf unter verschiedenen Prozess- und Umgebungsbedingungen sicherzustellen.
3. IGR-Erfahrungswerte nutzen
Als nächstes prüfen IGR-Fachreferenten die Dokumentation und ob z.B. IGR-Warnhinweise oder Herstellerrückrufe vorliegen. Oftmals finden sich bereits in der Gerätebedienung und Sicherheitsdokumentation Anforderungen, die zu Problemen bei der Inbetriebnahme, dem Betrieb oder der Wartung führen können. Auch bereits eingebaute Geräte sind zu berücksichtigen sowie eventuelle Verfallsangaben durch den Hersteller. Die gesamte Sicherheitseinrichtung ist auf dem Stand der Technik zu halten, was auch verifiziert werden muss. Dies setzt voraus, dass die ursprünglich angenommenen Sicherheitskennwerte während des Lebenszyklus betrachtet werden. Dabei sind die theoretischen Annahmen und die Angaben der Hersteller zu bewerten sowie die tatsächlichen betrieblichen Prozess- und Umgebungsbedingungen. Die Geräteeignung lässt sich daher nur im Praxistest beim Anwender nachweisen.
4. Fehlerhäufungen mit Stördatenstatistik (nach NAMUR NE93) abgleichen
Anschließend erfolgt eine Qualifizierung und wiederkehrend eine Requalifizierung der betriebsbewährten Geräte. Die Analyse der Schadensfälle und Fehlerhäufungen gleichen die IGR-Fachreferenten dafür mit der Stördatenstatistik nach NAMUR NE93 ab. Die Liste der betriebsbewährten Geräte im internen Downloadbereich aktualisiert die IGR anhand dieser Ergebnisse stetig. Der weitere Abgleich mit der Stördatenstatistik im Betrieb ist auch wichtig, um den Stand der Technik nachzuweisen. Dieses Vorgehen ist mit den Aufsichtsbehörden abgestimmt. Voraussetzung ist immer eine fachlich fundierte Projektierung und Instandhaltung.
Historie und Ausblick
Anwender-Typprüfungen an Feldgeräten werden schon seit über 50 Jahren vorgenommen. Hinzu kommt die Betriebserprobung, die Geräteeigenschaften in den Anlagen zu verifizieren. Nach der Auflösung großer Unternehmensstrukturen in der Branche und der Gründung vieler unterschiedlicher Firmen war ein gemeinsamer Feldgerätestandard jedoch zunächst in weite Ferne gerückt. Hilfreich war dann die Namur-Empfehlung NE 131 zu Standardgeräten. Durch sie sollen die Anwender in der Prozessindustrie 80 Prozent aller Einsatzfälle abdecken können. Auch die nach NAMUR NE 53 entwickelte Hardware und Software hat die Vielfalt und Geschwindigkeit von Neuerungen und Änderungen reduziert. Die IGR monitort diese und holt dazu Stellungnahmen von Herstellern ein. Eine stärkere Vereinheitlichung und mehr Stabilität zeichnen sich auch im Zuge der internationalen Normung ab. Die Gesamtbetrachtung von Geräten auf Basis unterschiedlicher Erkenntnisquellen – wie von Herstellern und Betreibern – bleibt aber unerlässlich.
Noch nie war Betriebsbewährung so aktuell und zukunftssicher wie heute. Die IGR unterstützt ihre Mitglieder hier auch weiterhin. Das betrifft sowohl die rechtssichere Umsetzung der normativen Anforderungen, also auch den optimierten Anlagenbetrieb mit einem Höchstmaß an Sicherheit und Verfügbarkeit.