Direkt zum Inhalt wechseln
26. Oktober 2022

IGR-Erfahrungsaustausch 2022: Prozesstechnik im Umbruch

Gallerie

Beim diesjährigen IGR-Erfahrungsaustausch Technik haben 110 Fachleute aus Mitgliedsunternehmen gemeinsam aktuelle Trends bei der Modularisierung von Anlagen sowie Algorithmen für neue Prozessabläufe beleuchtet. Weitere Schwerpunktthemen der Veranstaltung waren digitale Referenzmodelle, künstliche Intelligenz sowie der Einsatz von Drohnen in prozesstechnischen Anlagen. Dr. Werner Sievers, Vorstandsvorsitzender der IGR Technik e.V., begrüßte die Teilnehmenden mit den Worten: „Der Erfahrungsaustausch Technik ist ein wichtiger Bestandteil unserer Vereinsarbeit. Im vergangenen Jahr mussten wir pandemiebedingt auf eine Online-Veranstaltung ausweichen. Umso schöner ist es, dass wir in diesem Jahr wieder eine Präsenzveranstaltung haben. Die Live-Präsentationen und -gespräche sowie der persönliche Kontakt sind eben durch nichts zu ersetzen.“

Das Motto des diesjährigen Erfahrungsaustauschs „Modulare Liebschaften – die prozesstechnische Welt im algorithmischen Umbruch?“ stand ganz im Zeichen der dynamischen Entwicklung einer „Prozessindustrie 4.0“. Der erste Vortrag widmete sich der Zusammenarbeit über die Betriebsgrenzen der Mitgliedsunternehmen hinweg. So wurden Ergebnisse des „IGR-Teamworks“ am Beispiel der SIL-Mechanik und der Reaktionszeiten in der Prozesssicherheit aufgezeigt. Im zweiten Vortrag ging es um die Rahmenbedingungen der Transformation zu einer Wasserstoffwirtschaft in Chemieanlagen und damit um die Frage, ob sich Bauteile für den Betrieb mit Wasserstoff eignen. Die Herausforderungen dabei sind nicht zu unterschätzen: Versprödung von metallischen Bauteilen, wasserstoffinduzierte Spannungsrisskorrosion, besondere Anforderungen bei den Dichtungswerkstoffen und bei Lagern bestimmter Bauteile, die Kontakt mit Wasserstoff haben. Weitere Themen waren der Einsatz von Drohnen in der Prozessindustrie mit typischen Einsatzbeispielen in einem Industriepark sowie digitale Referenzmodelle für prozesstechnische Anlagen am Beispiel der DIN SPEC 77221, die im Januar 2023 veröffentlicht werden soll. Der letzte Tagungsbeitrag des ersten Tages war ein Gastvortrag von Prof. Dr. Maren Urner, Neurowissenschafterin an der HMKW Hochschule für Medien, Kommunikation und Wirtschaft in Köln. Sie referierte zum Thema „Schluss mit dem täglichen Weltuntergang: Wie uns eine konstruktive(re) Weltsicht gelingt“.

Am zweiten Tag konnten die Teilnehmenden bei ausgewählten Vorträgen aus den Themenspektren der IGR-Kompetenzcenter Mechanik & Verfahrenstechnik, Werkstofftechnik, Prozesssicherheit und EMR-Technik von der Expertise und Leistungsvielfalt der IGR mit den in den Kompetenzcentern vertretenen Fachleuten profitieren. Es gab drei Parallelsessions, die je aus sechs Vorträgen bestanden. In den längeren Pausen (30 Minuten) gab es reichlich Gelegenheiten für persönliche Gespräche.

Von der Erdbebensicherheit über Drohnenflüge bis zur MTP-Readiness

In der Vortragsreihe zur Mechanik & Verfahrenstechnik und Werkstofftechnik standen zunächst die IGR-Regelwerke zu Armaturen nach TA Luft und Informationen zu alternativen Bauteilversuchen an Flanschverbindungen im Fokus. Es folgte eine Erläuterung der Rahmenbedingungen für Betreiber und Hersteller von prozesstechnischen Anlagen im Baugruppenmodus. Danach ging es um die Novelle der DWA-A 787 (TRwS 787) und deren Auswirkungen auf Abwasseranlagen als Auffangvorrichtungen sowie um die Herstellung und Reparatur von Druckgeräten mit zahlreichen Beispielen aus der Prüfpraxis. Die kontinuierliche Erfassung von Prozessparametern in emaillierten Apparaten und der Nachweis der Erdbebensicherheit prozesstechnischer Anlagen auf Basis des neuen Erdbeben Eurocodes DIN EN 1998-1/NA:2021-07 waren weitere Vortragsthemen dieser Session.

Bei der Prozesssicherheit ging es zunächst um den Einsatz von Drohnen mit Kameras zur visuellen Unterstützung bei der Prüfung des Inneren von Behältern. Darauf folgte die Präsentation eines neuen Ansatzes zur Prüfung der Prozesssicherheit: HAZOP+ nutzt die Synergien aus einer HAZOP-Studie und einem OPEX 4.0-Projekt zur Optimierung von Prozessparametern, Produktionsraten und -kosten. Weitere Themen waren ATEX-Absicherungen einmal anders gewählt, Engineering Tools und Systeme und ihre Rolle bei der Digitaliserung in der Prozessindustrie aus dem IGR-Arbeitskreis Planungstools, die Untersuchung und Quantifizierung von Freistrahlausbreitungen mittels CFD-Simulationen und die zweiphasige Druckentlastung von Behältern mit hochviskosen Medien.

Im Fokus der EMR-Technik standen das digitale Typenschild für Prozessgeräte mit Ex-Schutz-Kenndaten, Schwingungssensoren an Prozesspumpen für die Zwecke prädiktiver sowie präskriptiver Instandhaltungsstrategien, die Verwaltungsschale als Umsetzung des digitalen Zwillings und Ethernet-Advanced-Physical-Layer als „Datenautobahn“ für die Feldebene. Den Abschluss bildete ein Vortrag zum aktuellen Stand bei der IGR Demonstrations- und Experimentieranlage IDEA im Industriepark Frankfurt-Höchst. Die Anlage bietet realistische Testbedingungen für die Entwicklung und Umsetzung von Industrie 4.0-Anwendungen in der Prozessindustrie und besitzt inzwischen die „MTP-Readiness“ für eine modulare Produktion. Erste Prozessmodule diverser Hersteller sind fertig gestellt. Die Ankopplung über eine Docking-Station ist in Planung.

Der Vorstandsvorsitzende Dr. Sievers zeigte sich bei seinen Schlussworten sehr erfreut über die rege Teilnahme und bedankte sich bei den Vortragenden für die hochaktuellen und aufschlussreichen Beiträge. „Die Präsentationen und gezeigten Ergebnisse spiegeln die enorme Bandbreite der Themen in unseren vier Kompetenzcentern wider. Der diesjährige Erfahrungsaustausch zeigt einmal mehr, wie gut die Zusammenarbeit über Betriebsgrenzen hinweg funktioniert und welche Früchte diese hervorbringt.“